Gemeindepsychiatrischer Verbund
Gemeindepsychiatrischer Verbund
Gemeindepsychiatrie als gesetzlicher Auftrag
Hilfen für psychisch erkrankte Personen haben das Ziel, die Erkrankung zu heilen, deren Verschlimmerung zu verhüten und Krankheitsbeschwerden zu lindern sowie der gesellschaftlichen Ausgrenzung der psychisch erkrankten Person entgegenzuwirken und ihre selbstständige Lebensführung und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Ziel der Hilfen ist es außerdem, die persönliche Freiheit einschränkende Maßnahmen durch vorsorgende und begleitende Maßnahmen zu vermeiden oder zu verkürzen.
Für eine bedarfsgerechte Versorgung und Unterstützung der psychisch erkrankten Personen sollen Unterstützungs- und Hilfsangebote in den Bereichen Prävention, Behandlung, Wohnen, Teilhabeförderung und Pflege gemeinde- und wohnortnah vorgehalten werden.
Das Landesgesetz über Hilfen bei psychischen Erkrankungen (PsychKHG) sieht vor, dass die Planung und Koordination der Hilfen, die im Rahmen eines Gemeindepsychiatrischen Verbundes erbracht werden sollen, den Landkreisen und kreisfreien Städten obliegt. Sie erfüllen diese Aufgaben als Pflichtaufgabe der Selbstverwaltung (§ 4 Abs. 1 PsychKHG).
Außerdem heißt es in § 4 Abs. 2 PsychKHG weiter: Die Landkreise und kreisfreien Städte wirken darauf hin, dass die Leistungserbringer einen Gemeindepsychiatrischen Verbund bilden und eine schriftliche Kooperationsvereinbarung mit dem Ziel abschließen, in ihrem Bereich die Versorgungsverpflichtung für eine möglichst wohnortnahe, lebensfeldzentrierte Versorgung und Unterstützung insbesondere für chronisch schwer psychisch kranke Personen zu übernehmen. Dies schließt auch die Zusammenarbeit mit den forensisch-psychiatrischen Einrichtungen für die Wiedereingliederung strafrechtlich untergebrachter Patientinnen und Patienten ein.
Gründung der Versorgungsregion Mayen-Koblenz / Koblenz
Der Landkreis Mayen-Koblenz und die Stadt Koblenz bilden mit rund 325.000 Einwohner/innen eine bevölkerungsreiche Region im Norden von Rheinland-Pfalz. Bereits mit der rheinland-pfälzischen Psychiatriereform im Jahre 1997 waren sich die Nachbarkommunen schnell einig, dass sie sich zu einer gemeinsamen Versorgungsregion zusammenschließen werden.
Es folgte zunächst mit einem großen personellen und zeitlichen Aufwand die Erstellung des Psychiatrieberichtes. Dieser gab im Ergebnis einen klaren Auftrag. In einem Punkt heißt es: „Die gemeinsame Versorgungsregion des Landkreises Mayen-Koblenz und der kreisfreien Stadt Koblenz bleibt bestehen und bildet einen gemeinsamen Gemeindepsychiatrischen Verbund nach § 7 PsychKG (heute: § 4 PsychKHG).“
Die Versorgungsvereinbarung
Im Jahr 2003 wurde sodann der Gemeindepsychiatrische Verbund Mayen-Koblenz / Koblenz (GPV) gegründet. Ziel des GPV war die Sicherstellung einer wohnortnahen und umfassenden psychiatrischen Versorgung. Kernpunkte der Versorgungsvereinbarung waren damals und auch heute unter den aktuellen Gegebenheiten des Bundesteilhabegesetzes (BTHG):
- Versorgungsverpflichtung für alle Klienten aus der Versorgungsregion
- Personenzentrierte Hilfen für die Klienten
- Konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten
- Vorrang ambulanter Hilfen vor stationären Hilfen
- Stetige Überprüfung der vorhandenen Kapazitäten
Die Vereinbarung trat zum 01.01.2003 in Kraft. Bereits im selben Monat fand die erste Hilfeplankonferenz (so der damals gültige Begriff) statt. In dieser Konferenz haben alle Mitglieder des GPV über die notwendigen und geeigneten Hilfen für die psychisch behinderten Menschen aus der Versorgungsregion beraten.
Darüber hinaus wurden von den Trägern – soweit nicht schon vorhanden – gemeindepsychiatrische Betreuungszentren errichtet. Von dort aus werden bedarfsgerechte und wohnortnahe Hilfen aus dem Bereich Wohnen, Arbeit und Tagesstrukturierung angeboten. Aufgabe der Träger ist es, ihre bestehenden Aufgaben und Strukturen flexibel für den regionalen Bedarf weiter zu entwickeln.
Neben dem Landkreis Mayen-Koblenz und der Stadt Koblenz gehören derzeit folgende Leistungsanbieter dem GPV an:
- Barmherzigen Brüder Saffig
- Bethesda St. Martin gGmbH
- puraVita GmbH in Baar-Wanderath
- Heinrich-Haus gGmbH in Neuwied-Engers
- Rhein-Mosel-Fachklinik Andernach
Da die Umsetzung der Versorgungsvereinbarung ein stetiger Prozess ist, wurde eine Steuerungsgruppe gegründet. Unter Leitung der Psychiatriekoordination treffen sich drei- bis viermal jährlich alle durch ein oder zwei Personen vertretenden Mitglieder des Verbundes. Die Gruppe beschäftigt sich mit der weiteren Realisierung der gemeindepsychiatrischen Versorgung und der Lösung besonderer Problemfelder.
Zwischenzeitlich wurde die Versorgungsvereinbarung des Gemeindepsychiatrischen Verbundes Mayen-Koblenz / Koblenz für die Zeit ab 01.01.2021 neu gefasst und an die Anforderungen des BTHG und PsychKHG angepasst.
Die Versorgungsvereinbarung regelt weiterhin die Zusammenarbeit der Kooperationspartner und verpflichtet zur wohnortnahen Versorgung der Menschen mit Wohnsitz in der Versorgungsregion. Mit Anlage 1 zur Versorgungsvereinbarung werden darüber hinaus vereinbarte Qualitätskriterien gesetzt, Anlage 2 verpflichtet zu Standards im Umgang mit Zwang und freiheitsentziehenden Maßnahmen.
Die strukturbildenden und –gestaltenden Elemente des GPV sind
- die gemeinsame Koordinierungsstelle für Psychiatrie des Landkreises Mayen-Koblenz und der Stadt Koblenz
- der Beirat für psychische Gesundheit. Das Gremium ist ein Zusammenschluss von derzeit 30 Personen aus den Bereichen Dienste und Einrichtungen der gemeindenahen Psychiatrie, kommunale Organe und Ämter, Krankenversicherung, Ärzte, Arbeitsverwaltung, Betroffene und Angehörigen. Aufgabe des Beirates für psychische Gesundheit ist es, die Kommunen in grundsätzlichen Fragen der Planung und Koordination der örtlichen Versorgung und bei der Erstellung von Psychiatrieberichten zu beraten.
- die Steuerungsgruppe. Sie besteht aus Vertretern der beiden Kommunen und der fünf Leistungsanbieter im GPV und tagt 3 – 4 mal jährlich. Sie beschäftig sich der Weiterentwicklung des GPV und der Lösung besonderer Herausforderungen.
- die Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft (PSAG). Die PSAG ist ein Zusammenschluss von Einrichtungen, Diensten, Beratungsstellen und Einzelpersonen, die sich u. a. mit der Versorgung psychisch erkrankter Personen befassen. Sie umfasst derzeit rund 140 Mitglieder und weitere Interessierte. Die PSAG tagt in der Regel viermal jährlich, bei Bedarf auch öfter. Die Arbeitsgemeinschaft versteht sich als Forum zum gegenseitigen Austausch von Informationen, sie diskutiert auftretende Probleme in der täglichen Arbeit und in der psychosozialen Versorgung und erarbeitet Lösungsvorschläge. In diesem Zusammenhang arbeitet die PSAG auch dem Beirat für psychische Gesundheit fachlich zu. Die Mitarbeit im Gremium ist freiwillig, alle Mitglieder sind gleichberechtigt.
- die Besuchskommission nach § 15 PsychKHG. Aufgabe der Besuchskommission ist es zu prüfen, ob die Rechte der nach dem PsychKHG untergebrachten Personen gewahrt werden. Es findet mindestens einmal jährlich eine Begehung der Krankenhäuser in der Versorgungsregion statt, in denen psychisch erkrankte Personen gegen ihren Willen oder im Zustand der Willenlosigkeit geschlossen untergebracht werden können. Bei der Begehung durch die Besuchskommission ist den untergebrachten Personen Gelegenheit zu geben, Wünsche und Beschwerden vorzutragen. Die Besuchskommission erstattet dem Kreistag jährlich einen Bericht über die durchgeführten Besuche. Die Geschäftsführung der Besuchskommission obliegt der Psychiatriekoordination.
- die interne Besuchskommission. Aufgabe der internen Besuchskommission ist es, die besonderen Wohnformen der Leistungserbringer und Vertragspartner der Versorgungsregion MYK / KO in Abständen von längstens einem Jahr oder aus besonderem Anlass zu besuchen. Hierbei wird geprüft, ob die Standards zum Umgang mit Zwang sowie freiheitsentziehenden Maßnahmen entsprechend der Vereinbarung gewahrt sind. Vertragspartner mit besonderen Wohnformen sind die Rhein-Mosel-Fachklinik Andernach, die Barmherzigen Brüder Saffig, die Stiftung Bethesda St. Martin Koblenz und die puraVita GmbH in Baar-Wanderath.